Que Du Luu

2010

Anerkennung und Annäherung haben die Erzählungen Que Du Luus zum Thema. Die Erzählerin greift es von den sozialen und psychischen Rändern her auf. Hier konstituieren weder Etikette, noch Ritual oder Status, weder Beruf, Familie noch geistig-seelische Gesundheit eine stabile personale und bürgerliche Identität. Der Toilettenmann und die Putzfrau im Großraumklo für Männer, der „selbstständige Tasseneinsammler“ in der Cafeteria der Universität, die Obdachlose, die sich als „Madame“ versteht, und der Nachtwachmann in der Tiefgarage: Que Du Luus Figuren leben „unten“, im „Dunkel“, wo die Beziehungen in ihrem Wesen offenliegen, das Ich fast nackt ist und seine Selbstachtung fragil. In „Rand-Geschichten“ macht die Autorin das sichtbar, was wesentlich ist und im Zentrum einer jeden Existenz steht, das Ringen um Würde und Respekt, Nähe und Liebe. Que Du Luu erzählt aus der Perspektive der Randständigen, die keine eigene Stimme haben, doch nicht von oben herab, sondern gleichsam aus ihren Köpfen heraus. In dieser Fremdheit wird, was außerhalb bürgerlicher Normalität ist, normal für die Dauer der Lektüre – und gesellschaftliche Normalität in ihrer Gefährdung spür- und erkennbar. Der Erzählstil ist lakonisch, trocken-sachlich benennend, alles ist bis auf das Nötigste verknappt. Gefühle und Verletzungen werden kaum je benannt, sondern in Gedanken, wörtlicher Rede und Handlungen indirekt vermittelt. Alles ist Oberfläche, das „Untere“, das Innere, das Warum bleiben dunkel, verkapselt und verpflastert. Es ist, als wäre die Befürchtung des Tasseneinsammlers (aus: „Madame, der Wachmann und die Blume“), dass die fremde Studentin, sobald er sie kennenlernte, bei ihm als erstes „alle Pflaster abreißen [werde], um nach der Wunde zu suchen“, Stil geworden. Que Du Luu erzählt, ohne ihre Figuren bloßzustellen, zu erklären, ohne etwas preiszugeben oder besser zu wissen. Ihr Blick auf die und aus den Randfiguren der Gesellschaft, d.h. aber ihr Blick ins Innerste, das uns bewegt, ist liebevoll, geprägt von Respekt und Mitgefühl, von Humor und vor allem: von Takt. Was die Figuren in ihrer Einsamkeit, Verletzbarkeit und Versehrtheit suchen, hat die Autorin in ihrem Erzählstil schon eingeholt und praktiziert: jene kostbare, schwer nur lebbare Schwebe aus Nähe und Distanz, in der sich Selbstrespekt und die Anerkennung des Anderen finden und treffen.

Susanne Schulte, Laudatio GWK-Förderpreis Literatur 2010

Künstlerin

*1973 Vietnam, chinesischer Abstammung, aufgewachsen in Herford, lebt in Bielefeld
Studium der Geschichte und Philosophie

Homepage der Künstlerin

Jury

Sabine Scho, Lyrikerin, GWK-Förderpreis 2000, Berlin/São Paulo
Norbert Wehr, Schreibheft, Köln/Essen
Cornelia Jentzsch, Kritikerin, Berlin