Katrin Kamrau

2014

Kritisch inszeniert Katrin Kamrau in Objekten und Installationen unseren Umgang mit Fotografie. Mit Bildern arbeitet sie über die Fotos, die wir selber machen und die uns in den Medien umgeben. Die Künstlerin interessiert sich primär für die analogen Techniken der Fotografie, inhaltlich problematisiert sie den Status von Fotos als Abbildungen von Realität und den gesellschaftlich-medialen Gebrauch der Bilder. Ihr Material findet Katrin Kamrau in Printprodukten. Sie bedient sich ausgewählter Fotos und Texte aus Handbüchern für Fotoamateure oder Zeitungen und repräsentativer Massenprodukte für die Präsentation von Fotos, um den Blick zu reflektieren, der diese Bilder und ihre Darbietungsweisen hervorbringt. Zugleich geht es dabei um die Rolle der Fotografierten, der Sujets oder Objekte, des Stoffes, wie auch um die Konsumenten der dargebotenen Bilder. In den Fokus kommen zudem die Funktion der gefundenen Fotos in ihrem Ursprungskontext wie auch die dort nicht thematisierten Nebenbedeutungen und -wirkungen der Bilder.

So etwa, wenn die Künstlerin in der Arbeit „SPEKTRUM*OBJEKT 18“ einen Farbstern aus einem Buch zur Fototechnik von KODAK verarbeitet, der anhand eines einzigen, 59 Mal unterschiedlich abgebildeten Fotomotivs die verschiedenen Mischungsverhältnisse der Farbfilter eines Farbvergrößerungsgerätes illustriert und sich als Maßstab für Farbabzüge anbietet. Das Motiv: eine adrett gekleidete und frisierte, landläufig hübsche, lächelnde, junge, weiße Amerikanerin. In der Mitte der sternförmig angeordneten Abbildungen befindet sich das mit „Normal“ untertitelte Portraitfoto, von diesem gehen nach außen die andern 58 ‚farbstichigen‘ Bilder ab. Deren Farbabweichung vom korrekten Bild im Zentrum wird jeweils prozentual markiert. Diesen gedruckten Farbstern reproduziert Katrin Kamrau fotografisch, in 59 großen Lambda-Ausbelichtungen, die sie auf die Wand des Kunst-Ausstellungsraumes bringt, so dass die Besucherinnen und Besucher ihm leibhaftig gegenüber treten: ein raffiniertes Angebot, ihn anders zu lesen und sich seiner in anderer Weise als im Fotobuch zu bedienen.

Indem sie es durch einen so einfachen wie geschickten ‚Trick‘ seinem Ursprungs- und Normalkontext, dem Fotolabor, entzieht und in einen alltagszweckfreien Zusammenhang überführt, wird das fotografische Hilfsmittel und mit ihm das Foto, das es als Beispiel benutzt, in seiner Form und Funktion reflektierbar und in seinem ideologischen Gehalt erkennbar. Der Kunstkontext erlaubt, es als ein Werkzeug nicht allein der Wiedergabe, sondern der Produktion von Normalität zu lesen, nicht nur was die Fotografie und die Medien ihrer Verbreitung, sondern auch was das eigene Leben betrifft, das das Foto, ein Portrait, realistisch abzubilden behauptet. Diese Behauptung wird als schief bis falsch, das Bild und die Normalität, die es zeigt, als soziale und technische Konstruktion und als Folge konventionalisierter Selektionsprozesse erkennbar. Die Norm, die für sich neben dem Status der Mitte und des Zentrums auch den der Natürlichkeit reklamiert, erscheint als die des weißen, heterosexuellen Mannes, hier wie auch in anderen Arbeiten der Künstlerin. Immer ist es diese Perspektive, die den Blick durch die Linse auf das Objekt davor bestimmt, das „geschossen“ und dem die Herrschaft über sein eigenes Bild genommen, das in seiner Selbstbestimmung und Subjektivität quasi getötet wird.

Und dieser Blick definiert, was und wer fehlerhaft ist, nicht ins Bild passt, welche Bilder herausfallen als Makulatur. Der Ausschuss ist enorm, das zeigt die Arbeit „SPEKTRUM*objekt 17 (cheese!)“. Normalität, so ist in Katrin Kamraus Arbeiten zu lesen, definiert und konstituiert sich über den Abfall, der der Norm nicht genügt oder sich ihr widersetzt, und den die Konformen entsorgen. Sie reproduziert sich über Bilder wie auch über die fotografischen Techniken und die Anleitungen dazu. Diese scheinen dahingehend zwar neutral, faktisch aber geben sie die Normen in ihren Illustrationen und in den erlernbaren Verfahren wieder, sind sie Instrumente der Einübung von Normalität. Katrin Kamrau findet in ihren Präsentationen eigenwillige Metonymien, die die Macht reproduzierbarer Bilder und der Techniken ihrer Produktion kritisch erfahrbar machen. Dabei eröffnet sie den Betrachtenden genau den Raum der Freiheit vor dem Bild, den die gefundenen Fotos, die sie benutzt, durch ihren ‚Sitz im Leben‘ selbst verschließen. Den Zeigefinger erhebt sie nicht. So still wie souverän zeigt sie vielmehr auf und fordert auf, das, was durch sie erkannt wird, auf ihre eigenen Arbeiten auch zu beziehen. Mit ihrer Kunst nimmt Katrin Kamrau gesellschaftliche Verantwortung wahr in dem Bereich, von dem sie am meisten versteht, und der uns als Personen wie als Gesellschaft heute mehr denn je zuvor prägt: dem der von jedem Kind schon reproduzierbaren und reproduzierten Bilder, der Fotografien.

Susanne Schulte, Laudatio GWK-Förderpreis Kunst 2014

Künstlerin

*1981 Lübben/Spreewald
2003–2010 Studium Fotografie und Medien, Fachbereich Gestaltung der Fachhochschule Bielefeld bei Prof. Suse Wiegand und Prof. Dr. Anna Zika
2007–2008 Koninklijke Academie voor Schone Kunsten, Antwerpen

Homepage der Künstlerin

Jury

Sandra Dichtl, Dortmunder Kunstverein
Ben Kaufmann, Neuer Aachener Kunstverein
Thomas Thiel, Bielefelder Kunstverein