Christine Moldrickx

2017

Christine Moldrickx‘ Arbeiten gehen uns an. Egal, welchen Materials und Mediums sie sich bedient, ihre Werke beeindrucken in ihrer Eigenständigkeit und berühren durch ihre schiere physische Präsenz. In dem Maß jedoch, wie sie sinnlich vor Anwesenheit strotzen und die Betrachtenden fesseln, weisen sie schnelles Verstehen zurück und geben, was sie sind, nicht preis. Dieser Widerspruch macht Lust auf mehr und er provoziert: Man lässt sich zwingen, genauer zu schauen, zu recherchieren, zu investigieren und reflektiert bei der Suche nach der Antwort auf die Frage, was das sei, das da solch eine Kraft hat, sowohl diesen Rezeptionsvorgang selbst als auch den Prozess der Produktion dessen, was man sieht. Wissen kommt ins Spiel. Bereitwillig informiert die Künstlerin über ihr Arbeiten und ihre Inspiration durch zeitgenössische Filme, Theater und Literatur, eine katholische Sozialisation. So vertieft sich die Wahrnehmung von Widerspruch und Zweideutigkeit, die die erste Reaktion entließ, zu der Erkenntnis, dass es die Erzeugung von Ambivalenz ist, die die Arbeiten von Chr. Moldrickx auszeichnet. Mit Bezug auf ihre „Sinks“ spricht sie selbst von „liminal objects“, Gegenständen der Grenze und des Übergangs von einer Welt in eine andere, der als „sinking“, versinken, beschreibbar ist. Doch weniger als bloß ausgedachte Metaphern von Transitionen sind ihre Objekte echte Materialisationen und damit Zeugen realer Prozesse und Handlungen, auch solcher, die die Künstlerin selbst durchläuft. So hat sie mit ihrem Kopf den noch feuchten Ton von Formen, die an Waschbecken erinnern, aber gröber, archaischer wirken, durchstoßen, diese damit ihrer potentiellen Funktionalität beraubt, anschließend bemalt und gebrannt. Sie präsentiert die „sinks“ zusammen mit ihrem Badezimmerspiegel, der voller Gebrauchsspuren ist und über dem ‚sinnlosen‘ Becken hängt, so dass sich auch die Betrachtenden spiegeln können in ihm – und aufgefordert sind, den außerästhetischen Normalkontext zu imaginieren und dazu die ‚eingefrorene‘ Handlung selbst qua Einbildungskraft zu vollziehen, zu verweilen im Übergang von „to sink“ und „to think“ und aus dem Alltag in eine ästhetisch induzierte, je eigene innere Welt zu treten. Chr. Moldrickx‘ Arbeiten faszinieren durch die Ambivalenzen, die Schwebe, die sie be- und erzeugen können aufgrund ihrer großen sinnlichen Kraft und geistigen Tiefe.

Susanne Schulte, Laudatio GWK-Förderpreis Kunst 2017

Künstlerin

*1984 Münster
2003–2009 Kunstakademie Düsseldorf bei Martin Gostner
2007 Staatliche Hochschule für Bildende Künste, Städelschule, in Frankfurt a. M. bei Simon Starling

Homepage der Künstlerin

Jury

Georg Elben, Skulpturenmuseum Glaskasten Marl
Christoph Tannert, Künstlerhaus Bethanien, Berlin
Claudia Schmacke, GWK-Förderpreis 1997, Berlin
Jan Christoph Tonigs, Kloster Bentlage, Rheine
Roland Nachtigäller, Marta Herford
Dr. Anna Fricke, Museum Folkwang, Essen
Dr. Oliver Kornhoff, Arp Museum Bahnhof Rolandseck, Remagen