Ben Greber
2011
Ben Greber wird für sein ALMAGIA-Projekt ausgezeichnet. „Fiktive Ready-mades“ nennt der Bildhauer seine Skulpturen, die vornehmlich aus kolorierter Pappe gemacht sind, bisweilen aus Holz oder Stahl. „Ready-mades“ heißen sie, weil sie zuerst wie industriell produzierte Fertig-teile erscheinen, wie echte Maschinen- und Verpackungselemente oder wie ganze Geräte, mit Konstruktionsplänen, Produktkennzeichnungen, der Firmenaufschrift „ALMAGIA“, die neu oder aber, gezeichnet von Gebrauchs- und Entsorgungsspuren, ausrangiert worden sind. Als Name eines internationalen Maschinen- und Gerätekonzerns ist „ALMAGIA“ zu lesen. „Fiktiv“ heißen diese „Ready-mades“, weil es tatsächlich keine Ready-mades, keine realen und deplazierten Industriegegenstände sind, sondern Objekte aus der Werkstatt des Künstlers. Er hat sie selbst aus ‚schnellen’ Materialien (Pappe, Klebstoff, Farbe etc.) mit einfachen Werkzeugen (etwa Mes-ser, Schere, Säge, Lineal und Pinsel) händisch hergestellt: Jedes Teil ist Original und Unikat aus der Greber-Manufaktur. Es ist eine Art Attrappe, eine statische, aus diversen realen Vorbildern abstrahierte Form, keine Kopie. Und sie kann nicht wie eine Maschine funktionieren, ökonomisch, effizient, fehlerfrei die immer gleiche Arbeit verrichten. Doch holt sie gerade dadurch die indu-strielle Welt in den Kunstraum hinein, öffnet diesen für die Imagination der Betrachter. Greber baut Skulpturen auf der Grenze von Mimesis und Poiesis, Nachahmung und freier Kreation, von Abstraktion und Erzählung, Konstruktion und Phantasie. Er arrangiert sie zu raumgreifenden In-stallationen, die den Ausstellungsort zu einer Bühne machen, den der Betrachter betritt – als Autor und zugleich Akteur seines eigenen Stücks. ALMAGIA ist Konzeptkunst als sinnliches Skulpturen-Theatrum, dessen Statik die Betrachter bewegt: physisch, emotional, intellektuell. Wohl deshalb lässt der Name der Künstlermanufaktur „Imagination“, „Magie“, „All“ assoziieren. ALMAGIA, die handgemachten Ready-made-Fakes und die fiktiven Konzerne, die in unsern Köpfen entstehen, bringen im ästhetischen Spiel unsere Zweckwelt ins Spiel, in die Bewegung der Frage: Wozu gibt es diese Dinge, die Greberschen Skulpturen, die realen Maschinen? Was machen sie mit den Menschen, was ist Arbeit, wer verdient daran? Das Spiel ist kritisch, es setzt die Markt-Maschinerie punktuell außer kraft und fragt in den ökonomischen Zwecken nach Sinn. Ben Greber gibt keine Antwort, doch ALMAGIA ist potentiell subversiv: Die Lust an den Manufakten des Künstlers, an ihrer Schönheit, die Lust am Entdeckungsspiel ohne Zweck und am Spiel der mannigfaltigen Interpretationen ist – die Lust an der eigenen Freiheit.
Susanne Schulte, Laudatio GWK-Förderpreis Kunst 2011
Künstler
*1979 Halle/Westfalen
2001–2010 Studium an der Kunstakademie Münster bei Katharina Fritsch
Meisterschüler bei Katharina Fritsch und Ayse Erkmen
Jury
Dr. Inke Arns, HMKV Hartware MedienKunstVerein, Dortmund
Dr. Jacek Barski, freier Kurator, Kunstwissenschaftler, Berlin
Adam Budak, Universalmuseum Joanneum Graz
Jochen Heufelder, Fuhrwerkswaage Kunstraum Köln
Klaus Kleine, GWK-Förderpreis 2009
Roland Nachtigäller, Marta Herford