Adrian Kasnitz
2011
Sachlich, unpathetisch, wie selbstverständlich, häufig im Parlandoton, mitunter auch mit Humor und Selbstironie verschiebt Adrian Kasnitz in seinen unveröffentlichten Gedichten „Glückliche Niederlagen“ das allseits und eindeutig Bekannte ins Ambivalente und Nichtgeheuere. Eine Art Film aus Sprache läuft in den Texten ab, in dem eine Alltagsszene, die gewöhnlichen Dinge und Handlungen sowohl nah als auch auf Abstand gehalten sind. Sie werden fremd, gewinnen andersartige Kontexte und symbolische Bedeutung. Diese aber ist nicht festzumachen. Mehrdeutigkeit und Unbehagen und Fragen kommen auf, nicht Antworten, keine Gewissheiten. Sinn entsteht und entzieht sich zugleich. Die reimlosen, klug umbrochenen und rhythmisierten Verse entlassen (in) eine Offenheit, die irritiert – und inspiriert. Man könnte diese Lyrik als „säkular-nüchterne Romantik“ labeln. Ein langer Reflexionsprozess, der ihnen vorausgeht, ist in den Gedichten spürbar. Nahezu vollständig ist er in ihnen Bild geworden. Adrian Kasnitz vertraut in das poetische Bild, den inneren Film, in die Evokationsmacht der gebräuchlichen Wörter, wenn er sie ganz eigensinnig und nur scheinbar einfach gebraucht. Sanft leiten die Gedichte aus der Behaustheit des Bürgerlichen, der konventionellen Wahrnehmung und Sprache hinaus in eine geistig-seelische Obdachlosigkeit, die fasziniert und in welcher das lesend-hörende Ich seine Realität, seine Sprache und ihre wirklichkeitsstiftende Macht, damit aber sich selbst neu erleben kann.
Susanne Schulte, Laudatio GWK-Förderpreis Literatur 2011
Künstler
*1974 Lüdenscheid
Studium der Geschichte in Köln und Prag
Jury
Hauke Hückstädt, Literaturhaus Frankfurt
Hendrik Rost, Lyriker, GWK-Förderpreis 2003, Lübeck
Insa Wilke, Literaturhaus Köln