Jonas Rump

2023

Jonas Rump ragt als Erzähler durch die Originalität und Frische seines Blicks auf die Lebenswelt und die Besonderheit seines Stils hervor, der Tragisches leicht, komisch und charmant, erzählt, im Leichten jedoch Schwere, Tiefe und Ernst der Existenz, verbirgt und zugleich erfahrbar macht. Der 1990 geborene und in der münsterländischen Kleinstadt Nottuln aufgewachsene Autor schöpft aus dem Leben und schreibt erkennbar autofiktional. Er zeichnet sich durch subtilen, liebevoll-ironischen Humor und emotionale Klugheit, durch empathische Sensibilität und eine sublime Beobachtungsgabe aus. Dabei spürt er das Sonderbare im Alltäglichen und die kleinen Geschichten, die man sich erzählt, auf und entdeckt darin die prekäre Doppelbödigkeit bürgerlicher Normalität, ihrer „heilen Welt“.

Jonas Rumps Texte zeugen von einer künstlerischen Souveränität, die Artistik im besten Sinne ist, denn was er schreibt, kommt wie selbstverständlich, leicht und einfach daher, ist jedoch alles andere als naiv. Implizit reflektiert der Autor sein Schreiben im Text selbst, zumeist in prägnanten Bildern, die vielleicht erst auf den zweiten Blick als poetologische erkennbar werden und auf die Ambivalenz des Schreibens angesichts der Möglichkeit seines Scheiterns und der Gewissheit des Todes verweisen.

Ausgezeichnet wird Jonas Rump für einen Auszug aus dem Manuskript seines Debut-Romans, der den Arbeitstitel „Buch über Maxi“ trägt. In seinem Exposé dazu bezeichnet er das Genre des Textes mit einem Begriff aus der Filmbranche als „abstruse Rom-Com“, als romantische Komödie oder Liebeskomödie, „zwischen zwei Jungen in der münsterländischen Provinz“. Sie beginnt in den 1990er Jahren.

Was man liest, ist weder einfach lustig noch im landläufigen Sinne romantisch, eben wohl „abstrus“, als Komödie verworren und unverständlich. Denn schon im ersten Satz des Vorworts, das der Ich-Erzähler, welcher als eine Art Alter Ego des Autors identifizierbar ist, seinem Roman vorausschickt, wird das Thema Sterben und Tod angeschlagen. Gleich darauf steht der mögliche Suizid des Mittdreißigers Maxi, der spurlos verschwunden ist und den der erwachsene Erzähler vermisst, im Raum.

Diese Situation scheint Anlass für das Romanprojekt des Ich-Erzählers zu sein und mit der Notwendigkeit des Erzählens bei ihm Reflektionen über die Grundfragen der Existenz und sein eigenes Verhältnis zum Leben und Sterben auszulösen. Zu Beginn – der Manuskriptauszug ist der Anfang des Romans – rechnet sich der Erzähler selbst denen mit dem Willen zu leben, dem „Team Leben“, zu, während Maxi für ihn dem „Team Sterben“, derer mit dem Willen zu sterben, angehört. Später charakterisiert er Maxi als Einsamen und Außenseiter, als ADHSler avant la lettre, als lebensmüde und Drogenkonsumenten. Trotz der behaupteten Gegensätzlichkeit beider zieht es den Ich-Erzähler zu dem, den er zugleich als Seelenverwandten empfindet, hin. Er will ihn zum Freund.

Man ist gespannt: Wird es am Ende des Romans bei der behaupteten Verschiedenheit beider bleiben? Oder wird von Maxi ein Sog ausgehen, dem der Ich-Erzähler erliegt? Wird Jonas Rump seinen Erzähler, der das „namenlose Übel“, Melancholie und Lebensmüdigkeit, anfänglich nur als „Probeabo“ kennt, ins „Team Sterben“ überlaufen lassen? Oder wird das Ich in die gefährliche Ambivalenz eines gleichzeitigen Lebens- und Sterbenswillens geraten? Wird es ein Rom-Com-Happy End geben und eben kein Buch über Tod und Sterben entstanden sein, sondern, wie es sich der Erzähler anfänglich vornimmt, ein Buch über das Ja zum Leben und die Lebensfreude – als schattenlose Komödie?

An einer solchen schreibt Jonas Rump wohl kaum. Ein poetologischer Schlüsselsatz, den sein Ich-Erzähler gleich zu Beginn – ein wenig zu demonstrativ und aufgesetzt, um glaubhaft zu sein – äußert, macht anderes wahrscheinlich: „Ich werde einfach ein Buch über Backflips schreiben, das gefällt mir besser als ein Buch über den Tod.“ Im Bild des Backflips aber wird das „Buch über Maxi“ als tragische Komödie erkennbar. Denn wird auch der modische Hip-Hop-Salto rückwärts im Roman als Ausdruck und Bild übermütiger Lebensfreude und souveräner Lebenskunst eingeführt, so gibt er zugleich die Mitglieder des „Teams Leben“ als Akrobaten zu erkennen – und benennt damit implizit das Risiko alles Akrobatischen, also auch des literarischen Schreibens: Was, im Vertrauen auf ihre Meisterschaft, von den Springenden als verspielt-spielerischer Backflip geplant ist, kann als Salto mortale scheitern.

Susanne Schulte, Laudatio GWK-Förderpreis Kunst 2023

Künstler

JONAS RUMP (*1990 Münster) machte 2013 seinen Bachelor-Abschluss in Sozialwissenschaften an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und 2018 den Master in Europäische Literaturen an der Humboldt Universität zu Berlin.

Jury

Antje Deistler Literaturbüro Ruhr, Gladbeck
Prof. Dr. Rita Morrien Institut für Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaft, Universität Paderborn
Sophie Priester Suhrkamp Verlag, Berlin
Heiner Remmert Westfälisches Literaturbüro in Unna