Thorsten Palzhoff

2006

Im Zentrum der Erzählungen Thorsten Palzhoffs stehen Sehnsüchtige, die „der Welt abhanden gekommen“ sind. Stellt dieses, von Palzhoff mehrfach zitierte, Gedicht Rückerts die Wirklichkeit der Transgression in eine ästhetisch bestimmte, heile Innerlichkeit dar, so ist der Wunsch nach Überschreitung der Alltagswelt bei Palzhoff Voraussetzung des realen Verschwindens seiner Protagonisten, das Totschlag, Mord, Suizid bedeuten kann. Als Abwesende beherrschen seine Hauptfiguren die Szene. Diese aber bestimmen die großen historischen Themen des 20. Jahrhunderts, Krieg etwa und Flucht. Die Erzählungen sind die Versuche von Freunden oder Verwandten, die Leerstellen zu schließen, die die Verschwundenen hinterlassen haben: aus ihren Spuren ihre Geschichte zu rekonstruieren. In Palzhoffs Erzählungen durchdringen sich in idealtypischer Weise Inhalt und Form, die Darstellung und ihre Reflexion. Um die leeren Zentren entsteht in kunstvoll wechselnden Perspektiven, Stimmen und Tönen die Geschichte der abwesenden Person – als eine Geschichte, deren Wahrheit kein Erzähler oder objektives Faktum verbürgt. Wirklichkeit und Fiktion, Erin-nerung und Konstruktion bleiben ununterscheidbar. Real ist jedoch die Erfahrung der Magie der Erzählung selbst; für die Dauer der Lektüre lässt „Tasmon“ die Lesenden der Welt abhanden kommen.

Susanne Schulte, Laudatio GWK-Förderpreis Literatur 2006

Künstler

*1974 Wickede
Studium der Neueren Deutsche Philologie, Musikwissenschaft und Vergleichenden Literatur­wissenschaft in Berlin

Literaturport.de

Jury

Dr. Rainer Moritz, Literaturhaus Hamburg
Hendrik Jackson, Schriftsteller, GWK-Förderpreis 2004, Berlin
Andrea Neuhaus, Literaturkritikerin, Frankfurt
Ursula Rolinck, GWK, Steinfurt
Dr. Dieter Stolz, freier Lektor, Berlin