Susan Kreller

2014

Susan Kreller wird für einen Auszug aus ihrem Romanmanuskript „Pirasol“ ausgezeichnet. Mit stiller Ironie und kritischem Humor, mit behutsam, zuweilen skurril gebrochenem Pathos, dabei lakonisch, ohne alle Softness und Larmoyanz erzählt sie, wie eine 84-jährige Witwe, die ihr Leben lang alles eingesteckt und immer mit sich selbst ausgemacht hat, was wehtat, im Jahr 2011 beginnt aufzubegehren. Nach und nach enthüllt sich die Lebensgeschichte der Frau, zusammen mit der des auratischen Hauses, in dem sie lebt, der Villa Pirasol. In kluger und spannender Szenenführung mit geschickten Vorausdeutungen und kunstvoll eingewobenen Rückblenden, in atmosphärisch und metaphorisch verdichteter, ganz eigen-sinniger Sprache, in Bildern, die Seelisches körperlich machen, die Dinge des Hauses psychisch aufladen, als seien sie lebendig, entsteht eine einzigartige Romanwelt, die die Leser wie magisch in sich hineinzieht, so dass schon die eine alltäglichen Phrase wiederholende Frage eines Kindes die ganze, noch zu erzählende Geschichte eröffnet und kommentiert: „Hast du schon mal alles erlebt?“ Dabei ist Susan Krellers Erzählerinstanz unzuverlässig, ihre Perspektive aufs Geschehen weniger moralisch als vielmehr ästhetisch. Nicht dennoch, sondern gerade dadurch gelingt es der Autorin, in einem scheinbar unscheinbaren Leben und durch die deutsche Geschichte der letzten achtzig Jahre hindurch die großen Themen des Daseins neu und berührend, mit Leichtigkeit zugleich und Tiefe, frisch und berührend erfahrbar zu machen: Sterben und Tod, Gewalt, den alltäglichen Verrat und die Gegenwärtigkeit des Vergangenen, unsere Gottverlassenheit und unsere Suche nach Aufgehobensein, nach dem Halt und Trost der Kunst und der Annahme des eigenen Ich, wie auch dem Glück, für es einzustehen, im Versuch der Rebellion.

Susanne Schulte, Laudatio GWK-Förderpreis Literatur 2014

Künstlerin

*1977 Plauen
Studium Germanistik und Anglistik in Leipzig
Promotion über deutsche Übersetzungen englischsprachiger Kinderlyrik

CARLSEN Verlag

Jury

Dr. Pia-Elisabeth Leuschner, Lyrikkabinett, München
Annette Kühn, Luxbooks, Wiesbaden
Dr. Jürgen Gunia, Westfälische Wilhelms-Universität Münster